Henker, Mörder, Urthlweiber

Wasfür die feinen Leute das Burgtheater, ist für das „niedrige Volk“ der Richtplatz. Hinrichtungen werden gefeiert wie Volksfeste, die ganze Familie ist auf den Beinen. Fliegende Händler bieten Würstl & Bier wohlfeil, sogen. Urthlweiber verkaufen „Flyer“ mit bluttriefenden Bildergeschichten über die grausige Tat – sozusagen Vorläufer der Kronenzeitung -, und Moritatensänger sorgen für die musikalische Untermalung der „Mordsgaudi„.

Die Leidenschaft der Wiener für diese tödlichen Spektakel geht soweit, dass sie einen „Freymann“ (Henker) im Jahre 1501 totschlagen, als dieser sich bei einer Hinrichtung in den Augen der Zuseher allzu dilettantisch anstellt. Als er den Delinquenten nicht gleich mit dem ersten Hieb enthauptet, wird er von der johlenden Menge gelyncht. Die „k. u. k. niederösterreichische Landesregierung“ sieht sich daraufhin veranlasst, vor jeder Hinrichtung den sogen. „“Freymannsfrieden“ auszurufen und Übergriffe auf den Henker unter schärfste Strafandrohung zu stellen.

Hinrichtungen finden meist um 10 Uhr vormittags statt, einer der Gründe, warum heute noch bei der älteren Generation ein Begräbnis am Vormittag als „Arme-Leut-Leich“ gilt.
Als älteste Richtstätte in Wien gilt der Rabenstein im neunten Bezirk (heute Schlickplatz), der bereits im 14. Jhdt. erwähnt wird. Enthauptet und gevierteilt wird am Hohen Markt aber auch Am Hof und – weniger vornehm – am Schweinemarkt (dem heutigen Lobkowitzplatz), während Anwärter für den Tod auf dem Scheiterhaufen zur „Gänseweyd“ in Erdberg gekarrt werden. Dass in Wien auch im Tod noch mancher Bürger „gleicher“ ist, beweist die Tatsache, dass der soziale Stand eines Delinquenten Einfluss auf die Todesart hat. Die noch eher gnädige Exekution durch Enthauptung ist Personen „von Stand“ vorbehalten. Auch Korruption ist in diesem Zusammenhang kein unbekanntes Thema. Wer es sich leisten kann, mochte versuchen, den Henker zu bestechen, dass er den tödlichen Streich abgleiten lässt (das sogen. „Putzen“), denn wer seine Hinrichtung überlebt, darf dem Scharfrichter kein zweites Mal vorgeführt werden – eine Art „double jeopardy“ wie der Amerikaner sagen würde. Auch die „intramurane“ Hinrichtung, also die Exekution in einem geschlossenen Raum ohne Öffentlichkeit ist der Nobilität vorbehalten.

Mit Frauen verfährt man „gnädiger“ – sie werden an der Taborbrücke ertränkt. Dabei muss es sich keinesfalls um eine Mörderin handeln, es genügt in die Stadt zurückzukehren, nachdem eine Wegweisung wegen „liederlichen Lebenswandels“ verhängt worden war. Auch mit Kindsmörderinnen macht man hier kurzen Prozess, wobei es sich meist um einfache Dienstmädchen handelt, die sich eines ungewollten „Balgs“ entledigt hatten.

Im 18. Jahrhundert wird die Richtstätte an den Rand der Stadt zur „Spinnerin am Kreuz“ verlegt. Hier hat man auch eine größere „Bühne“, wo man geräderte und gehenkte Delinquenten zur Abschreckung ausstellen kann. Auch die letzte öffentliche Hinrichtung findet hier statt. Am 28. Mai 1868 schlägt dort dem Raubmörder Georg RATKAY die letzte Stunde. Der Tischlergehilfe hatte am 9. Jänner 1868 die Tischlersgattin Marie HENKE ermordet und ausgeraubt.

Kaiser Joseph II., ein studierter Jurist, schafft die Todesstrafe 1781 ab und ersetzt sie durch kaum weniger grausame Zwangsarbeit. Nur ein einziges Mal setzt er diese Entscheidung für einen Tag ausser Kraft, um dem Gericht die Möglichkeit zu geben, ein Todesurteil auszusprechen. Der Raubmörder Franz (de Paula Zaglauer von) ZAHLHEIM setzt vergeblich auf die Abschaffung der Todesstrafe und wird am 10. März 1786 vor mehr als 20.000 Zuschauern am Hohen Markt gerädert. Es ist das letzte Mal, dass diese bestialische Todesart exekutiert wird.

1795 wird die Todesstrafe für Hochverrat wieder eingeführt und ab 1803 schließlich auch wieder bei „gemeinen Verbrechen“ ausgesprochen.

Kaiser Franz Joseph I. befindet Hinrichtungen alles andere als eine „Mordsgaudi“ und verfügt, dass diese fortan nicht mehr öffentlich durchgeführt werden. Exekutionen werden daraufhin nur mehr innerhalb des Wiener Landesgerichtes abgehalten. Die erste dort vollzogene Hinrichtung gilt dem Raubmörder Enrico von FRANCESCONI, der am 18. Oktober 1876 den Geldbriefträger Johann GUGA ermordet hatte.