Biedermann & Brandstifter

Wer glaubt, dass die Jahre des Vormärz / Biedermeier von häuslicher Beschaulichkeit geprägt sind, dem empfiehlt sich ein Blick in die Zeitungsarchive dieser Ära. Allerdings zeichnen sich die Verbrechen des Biedermeier tatsächlich durch eine gewisse Kleinbürgerlichkeit aus – bei den meisten Gewalttaten geht es um ein paar ersparte Kreuzer, die Opfer oft Dienstmädchen oder alte Frauen, die kaum mehr besitzen als ihre Mörder. Und so manche ehrbare Jungfer aus einfachem Hause fällt – auf die eine oder andere Art – spießbürgerlichem Standesdünkel zum Opfer…

Zwei Kriminalfälle, die Geschichte, Legenden und „Gstanzln“ schrieben, konnten gegensätzlicher nicht angesiedelt sein. Da zieht auf der einen Seite der einfache Bauernbursch Johann Georg GRASEL – die österreichische Antwort auf Robin Hood – zwischen 1812 und 1818 raubend, brandschatzend und vermutlich auch mordend durch Südmähren und das nördliche Niederösterreich. Auf der anderen Seite (der Gesellschaft) der gebildete, polnische Edelmann Severin von JAROSZYNSKI, den die Vergnügungs- und Spielsucht am 13. Februar 1827 zum Raubmörder an seinem alten Mathematikprofessor, Johann Conrad BLANK, werden läßt.

Die einzige Gemeinsamkeit der beiden ist, dass ihre Hinrichtungen in Wien – und unter größtem Andrang von Gaffern – vollzogen wird. Darüber hinaus verlaufen die Leben der beiden so unterschiedlich, wie man es sich zwischen einem einfachen Bauernburschen und einem verwöhnten Adelsspross nur vorstellen kann.

Während Grasel kaum je eine Chance gehabt hat, aus seinem sozialen Mileu auszubrechen, ist Jaroschinski von Geburt an von Fortuna reichlich bedacht. Die Familie Grasel ernährt sich mehr schlecht als recht von der Abdeckerei, die so ziemlich am unteren Ende der sozialen Hierarchie angesiedelt ist. Johanns Vater ist ein Kleinkrimineller, und als er zehn Jahre Kerker ausfasst, muss sich seine Frau abrackern, um ihre zwei kleinen Kinder durchzufüttern. Schon früh lernt Johann betteln und stehlen.
Als sein Vater wieder nach Hause kommt, „unterrichtet“ er Johann in allem, was das Gesetz verboten hat.

Der kleine Jaroszynski wird in feinsten Instituten unterrichtet und geht als Jugendlicher schließlich nach Wien, wo er sich als Graf ausgibt und die Gunst der beliebten aber nicht sehr nobel beleumundeten Volksschauspielerin Therese KRONES gewinnt. Diese Gunst hat ihren Preis und kann nur durch wertvolle Geschenke aufrecht erhalten werden. Jaroszynski verstrickt sich immer tiefer in Schulden und da an redliche Arbeit nicht zu denken ist, kommt ihm der teuflische Gedanke, seinen ehemaligen Mathematikprofessor, der sein bescheidenes Vermögen in Obligationen angelegt hat, zu ermorden…